Skitouren im Ortlergebiet 05.04-11.04.2010

Teilnehmer/innen: Uta und Erik (Bericht)

Rund um die Ostertage wollen Uta und Erik wieder eine längere Ausfahrt machen. Die Saison 2010 ist aber geprägt von insgesamt wenig Schnee und einer schwachen Schneedecke die zur Vorsicht anhält. Zudem ist die Wetterlage nicht immer optimal und so ist die Suche nach Tourengebiet und Termin nicht einfach. Die Einladung an die üblichen und noch nicht üblichen Verdächtigen ist wie folgt:

Einige übliche Verdächtige wollen nach Ostern wieder eine größere Durchquerung machen - wir würden auch noch Leute mitnehmen die dazu passen.

Wenn ihr...
...mit gutem Gefühl auch steileres abfahren als auch aufsteigen könnt.
...mit Steigeisen und Pickel umgehen könnt und wisst was eine lose Rolle ist.
...auch eine Woche am Stück unterwegs sein wollt und auch mal selber aus dem Rucksack kochen.
...gerne gemeinsam Touren planen wollt und nicht einfach hinterhergehen...
dann meldet euch doch und wir gucken ob wir was zusammen hinbekommen.

Zeitrahmen wäre die Woche nach Ostern, Start z.B. am Ostersonntag. Wo wir hinfahren entscheiden wir nach den Verhältnissen, mögliche Projekte sind vom Ortler bis in die Dauphine gestreut.

Schlussendlich bleibt es dann bei Uta und Erik und wir entscheiden uns für das Ortlergebiet was zum einen für den Anfang der Woche nach Ostern das beste Wetter als auch genug Schnee verspricht. Wir orientieren uns an einer Tour aus dem Skidurchquerungen-Buch von Keil und wollen das Ortlergebiet von Ost nach West durchstreifen. Hinsichtlich des Gepäcks ist die Tour nicht ganz optimal geplant weil die Tage mit Selbstverpflegung am Ende kommen aber wir hoffen das eine oder andere Materialdepot anlegen zu können.

Montag 05.04.2010 – Anfahrt zum Zufrittsee.

Da Wetter und Lawinenlage für den Montag noch Geduld voraussetzen lassen wir die Anfahrt ruhig angehen. Wir fahren über den Reschenpass nach Mals und wollen dort das Auto stehenlassen damit wir bei der Rückkehr aus dem Val Müstair keine langen Wege haben. Mit Zug, Bus und Taxi soll es dann zum Zufrittsee ins Martelltal gehen. Aber oh je – vor dem Einsteigen in den Zug bemerkt Erik daß eine Niete seines Skischuhes abgerissen ist und somit das Gelenk des Schuhes keine Stabilität mehr hat. Mit dem Schuh ist weder an eine Tagestour noch an eine Skidurchquerung zu denken. Da Ostermontag ist sind alle Geschäfte geschlossen. Also alles wieder ins Auto gepackt und kurzerhand mit dem Auto hoch zum See gefahren um für weitere Aktionen beweglicher zu sein.

Der Wirt vom Gasthof Enzian hat auch dankenswerterweise eine passende Schraube in seinem Sortiment so daß man den Schuh so weit stabilisieren kann daß an eine Tour zu denken ist. Bei den Reparaturarbeiten ist aber auch ein Riss in der Schale in der Nähe des Gelenks zu finden so daß endlich der Kauf eines neuen, leichteren Schuhs in die Nähe rückt.

Dienstag 06.04.2010 – Plattenspitz.

Auch am Dienstag ist ein gespannter Dreier angesagt und so suchen wir uns am Abend vorher eine Tour aus die möglichst wenig Risiken bietet. Hier fällt die Wahl auf die Plattenspitz mit einer Aufstiegsroute durch das Pedertal und über Gipfelhänge mit knapp 30 Grad. Gegen 7 Uhr geht es los, zuerst durch lichten Wald in Richtung Stieralm und dann flach in das Pedertal hinein. Am Talende geht es dann abwechslungsreich immer wieder über Rücken bis unter den Gipfelaufschwung. Diesen hinauf und um 11 Uhr sind wir dann auf dem Gipfel. Von dort aus können wir die Tatzelwürmer beobachten die sich von der Zufallhütte aus die nordseitigen Hänge hinaufkrabbeln. Wir sind die ganze Tour allein und spuren dafür selbst. Vom Gipfel aus haben wir ein tolles Panorama bei wolkenfreiem Himmel.

Die Abfahrt ist – zumindest den Gipfelhang hinunter – prima und pulvrig. Danach wird es deutlich schwerer aber bald sind wir wieder am Gasthof Enzian. Nur noch schnell umziehen und dann nach Meran ins Sportgeschäft. Nach längerem Hin und Her fällt die Wahl dann auf einen leichten 4-Schnaller - „meistverkauft“, also muss es gut sein – mit einem ganz guten Nachlass zum Saisonschluss. Die Frage ist nur: Kann man mit einem neuen Schuh ohne medizinische Katastrophen eine Skidurchquerung machen?


Im Gipfelhang der Plattenspitze


Gipfelfoto mit Christofs Ostereiern


Anfahrt zumindestens oben lohnend

Mittwoch 07.04.2010 – Veneziaspitze.

Morgens früh geht es mit vollem Gepäck los in Richtung Zufallhütte wo wir enge Bekanntschaft mit 18-beinigen Tatzelwürmern machen deren Heimat die Zufallhütte zu sein scheint. Da es einige Exemplare dieser Würmer gibt muss das Nest ziemlich voll sein so daß wir dankbar für unsere ruhige Unterkunft im Enzian sind. Wir laufen mit den Würmern mit über die untere und obere Konzenlake wo wir auf Höhe der Martellhütte unser kleines Materialdepot anlegen. Dann geht es weiter auf den Hohenferner wo wir uns für einen Gipfel entscheiden müssen. Da wir die Spitze der Kuppe vorziehen und da die Tatzelwürmer das anders herum mögen f...fällt die Wahl nicht auf die Köllkuppe, sondern auf die Veneziaspitze, wo seit dem letzten Neuschnee noch keiner war.. Zum Glück zieht hinter uns dann doch noch ein Tatzelwurm heran und so nutzen wir die Gelegenheit ein kleines Päuschen zu machen um nicht alles selber spuren zu müssen. DDer Rest des Aufschwunges zum Skidepot blieb uns dann aber doch zur körperlichen Ertüchtigung erhalten, da sich der Tatzelwurm auf der Hälfte des Hanges in jauchzende Skifahrer auflöste. Der Grat zur (ersten) Veneziaspitze ist zuerst etwas schwieriger als gedacht aber im wesentlichen dann doch leichte Kraxelei. Auch hier sind wir am Gipfel allein und geniessen dann nach dem Herunterkraxeln eine Abfahrt im Traumpulver über den Hohenferner hinunter zur unteren Konzenlake. Der Rest ist leicht aber natürlich mit Mühen verbunden – knapp 300 m Aufstieg in der Sonne zum Materialdepot und dann zur angenehm bewirtschafteten, nicht zu vollen Martellhütte. Dort treffen wir auf vier nette Jungs aus Österreich mit denen wir in den nächsten beiden Tagen ein Stück gemeinsam unterwegs sein werden. Die Frage ist: Geht die Königsspitze oder nicht?


Aufstieg zur Veneziaspitze


Grat zum Skidepot hinunter


Abfahrt über den Hohenferner ist super

Donnerstag 08.04.2010 – Zufallspitzen und Cevedale

Gegen halb sieben geht es los über den Fürkeleferner und unschwierig mit den Ski hinauf ins Joch zwischen vorderer und hinterer Zufallspitze. Der Rother-Führer verspricht: „.. vom Joch nach rechts zur vorderen und nach links zur hinteren Zufallspitze“. Das letztere sieht nicht ganz so einfach aus – zumindestens sieht der Nordgrat selbst nach Kletterei aus die den Schuhen nicht angemessen ist. Aber vielleicht lässt sich ja das schwierige Stück über einen kleinen Ausweicher in der Westflanke umgehen. Also Ski aufgebunden und Steigeisen an. Schon bald aber zeigt sich unter einer dünnen Firnauflage hartes Blankeis was Eriks Leichtpickel zum Aufgeben bringt. Ein Abrutscher kann mit dem Rettungsgriff nach wenigen Metern gestoppt werden und es bleibt bei der Schrecksekunde. Dieser Weg ist also nix. Ski wieder an und hinunter auf den Fürkeleferner. Von dort in Gesellschaft von einem Riesen-Tatzelwurm über den Südwestgrat und die Westflanke mit Ski bis zu den Felsen und dann zum Gipfel mit schöner Aussicht. Uta hat ihren Hungerast gefunden und so fahren wir die paar Meter in Richtung Cevedale hinunter zu einem Felsen und vespern. Nach der Pause über den Grat hinauf auf den Cevedale. Von dort aus gute Sicht auf Königsspitze, Zebru und Ortler sowie Palon de la Mare mit Fornokessel und die Presannella.


Über den Fürkeleferner


Im Joch zwischen den Zufallspitzen


Auf dem Cevedale

Im Anschluss nach Norden haltend über die Westflanke hinunter auf den Vedretta di Cedec und dort in einer schönen Abfahrt hinunter bis zur Pizzinihütte wo wir unsere Österreicher wieder treffen. Die Pizzinihütte ist gut gefüllt aber noch erträglich. Anscheinend ist auch die Königsspitze gemacht worden so daß wir gute Hoffnungen haben.

Freitag 09.04.2010 – Königsspitze und Cima della Miniera

Der Hüttenwirt lässt sich doch noch auf eine hinreichend frühe Frühstückszeit ein und so starten wir gegen halb sieben mit 8 weiteren Aspiranten in Richtung Königsspitze. Am Fuss des Couloirs machen wir unser obligatorisches Materialdepot. Das Couloir steigen wir bis zu zwei Dritteln mit Ski hoch und entscheiden uns dann die Ski unten zu lassen. Wenig später am Ende des Couloirs bereuen wir das dann – die Ostflanke ist doch nicht so ausgesetzt wie wir anhand des Führers befürchtet haben. Aber was solls. In guter Spur geht es dann über Stapfschnee hinauf zum Gipfel. Am Ende ein Stück mit nettem Ausblick in die tiefe Nordflanke mit den Resten der Kriegsbauten. Leider weht der Wind heute stärker als gestern so daß wir uns nach kurzer Zeit wieder zum Abstieg entschliessen. Zumindestens ist auch heute wieder tollster Sonnenschein – was für ein Traum. Die vier netten Österreicher haben es auch eilig, die wollen noch nach Sulden und dann zur Berglerhütte aufsteigen um am nächsten Tag den Ortler zu machen.


Königsspitze in der Morgensonne


In der Flanke oberhalb der Rinne


Die 4 netten Jungs aus Österreich


Gipfelbild - Königsspitze


Hinüber zum Col Pale Rosse


Abstiegsmöglichkeit – dank Fixseil ganz leicht


Erik auf der Suche nach dem besten Schnee



Hinunter sind wir schnell bei den Ski und über nun schon schweren Schnee das Couloir hinunter und zum Materialdepot und Vesper. Etwas abfahren und wieder anfellen zum Aufstieg in unangenehmer Hitze auf den Col Pale Rosse. Nun beginnt die Einsamkeit. Etwas abfahren hinunter auf den Vadretta della Miniera und dann zum Teil zu Fuss über einen steilen Osthang hinauf. Der Hang ist oberflächlich aufgeweicht, unten aber noch hart so daß wir – abgesehen von dem Aufstieg teils über Schutt – ein gutes Gefühl haben. Oben im Joch dann die Enttäuschung: Statt einer Abfahrtsmöglichkeit nur düsteres Blankeis und steile Felsen. Hier geht es nicht hinunter. Aber es gibt in der Karte ja noch den Sommerweg über den Gipfel. Es geht also noch etwas hinauf und nach Westen zum Gipfel und dort kann man dann eine zwar geröllige aber machbare Abstiegsmöglichkeit ausmachen. Beim Erkunden ist sogar ein Stück Fixseil an soliden Haken zu finden welches die ersten steilen Meter erleichtert. Also wieder die Ski auf den Buckel, Steigeisen an und hinunter. Es sind dann doch an die 200 Höhenmeter bis wir wieder die Ski anschnallen können und ab dann geht es flach aber stetig hinunter über den Zebru Ferner. Immer links halten kommt man über ein steiles Kanonenrohr hinunter zum toll gelegenen Rifugio Quinto Alpini. In der unteren der beiden Hütten ist der für italienische Verhältnisse prima ausgestattete Winterraum mit 12 Betten und vielen Decken. Den Nachmittag verbringen wir mit Schneeschmelzen, in der Sonne sitzen, Tour planen und Polenta kochen.


Rifugio Quinto Alpin


Hier kommt im Winter wohl selten einer vorbei


Ruhige Sonnenterasse

Sobald die Sonne untergeht wird’s dann doch schnell kühl und wir gehen früh ins Bett. Wir wollen am nächsten Tag früh los um uns nach der Zebru-Besteigung den Weg in Richtung Trafoier Joch offenzuhalten. Wir haben aber noch die Option – es ist auch wieder ein steiler Osthang auf dem Weg - wieder zur Hütte zurückzukehren und erst am nächsten Morgen weiterzuziehen. In diesem Fall würden wir dann nach Trafoi abfahren und nicht ins Val Müstair.

Samstag 10.04.2010 – Monte Zebru

Noch im dunkeln geht es mit dem ganzen Geraffel los über den Zebru Ferner. Zuerst ist alles hartgefrorenen, dann fängt der Plattenpulver an und es wird anstrengend zu spuren. Wie schon wäre es hier einen Tatzelwurm vor sich zu haben – das ist aber der Preis den man in der Regel gerne für die Einsamkeit zahlt. Am Ortlerpaß fängt es an richtig windig und unangenehm zu werden. Am Bivaccio Citta di Captu nutzen wir die Gelegenheit für eine Wetterabfrage – es soll feuchtere Luft kommen aber keine Kaltfront. Wir gehen mit den Ski so weit wie möglich hinauf und machen dann Skidepot. Über Stapfschnee einen steilen Aufschwung hinauf bis zu einem Gletscherabsatz. 100 Meter nach rechts in tiefem Schnee zu einer kleinen Rinne die auf den Westgrat führt. Über den leichten, aber ausgesetzten Grat mit hohem Einsamkeitsfaktor zum Gipfel. Hier kann man sehr schön die Grate in Richtung Königsspitze und Ortler überblicken.


Morgens auf dem Zebru Ferner


In der Querung zum Westgrat


Gipfelbild




Tiefblick zum Rifugio Quinto Alpini


Blick zurück zumWestgrat


Tiefblick zur Cima della Miniera – die beiden dusteren Rinnen haben wir gestern lieber nicht benutzt.




Blick zurück zum Gipfelaufschwung


Gletscher für uns allein


Aber auch heute weht der Wind kräftig und wir steigen bald ab. Der Abfahrtsgenuss ist nur oben und unten vorhanden – im mittleren Bereich bruchharscht es zeitweise kräftig. Wir entscheiden uns heute keinen Stress mehr anzufangen und fahren zur Hütte zurück. Es ist auch etwas später geworden als wir es für die Querung zum Trafoier Joch gut finden. Den Nachmittag und Abend verbringen wir mit der gleichen Beschäftigung wie am Vortag, optimieren aber die Schneeschmelze mit Hilfe von Blechen und Dachflächen so daß wir mächtig Benzin sparen. Gegen Nachmittag ziehen viele Quellwolken auf und wir machen uns Gedanken über den morgigen Tag. Gegen Abend fängt es auch an leicht zu schneien.

Samstag 11.04.2010 – Cima della Miniera und retour ins Martelltal

Morgens ist der Himmel zugezogen und es schneit immer noch leicht. Die Wolkendecke liegt auf knapp über 3200 m. So ist die Entscheidung schnell gefaßt das Trafoier Joch fallen zu lassen und auf der bekannten Strecke zurück ins Martelltal zu gehen. So sparen wir uns auch den Transfer. Den Zebruferner hinauf geht es auf inzwischen wieder unberührter Schneefläche und das Geröllgelände zur Cima della Miniera hinauf geht es mit den Ski auf dem Buckel. Während des Aufstiegs beginnt es aufzuklaren und wir beginnen uns schon etwas zu ärgern. Aber der Entschluss steht. Von der Cima della Miniera geht es herrlich steil aber nur kurz hinunter, dann heißt es schon wieder anfellen und der Zivilisation entgegenstapfen. Am Col Pale Rosse nehmen wir noch den Vorgipfel zum Cime Pale Rosse mit – der Gipfel selbst ist von dieser Seite wohl nicht zu machen. Die anschliessende Abfahrt ist oben etwas harschig aber weiter unten prima sulzig. Irgendwie auffällig ist daß heute so wenige Leute unterwegs sind, nur einige Gruppen laufen uns auf dieser Seite über den Weg.


Oben auf der Cima della Miniera


Blick zurück


Nach einer Pause geht es hinauf zum Rifugio Casati wo sich das Wetter wieder deutlich verschlechtert. Im Schneetreiben geht es den Langerferner hinunter, auf dieser Seite hat es in der Nacht ca. 15 cm geschneit. Irgendwann ist nur noch Schieben angesagt und plötzlich geraten wir in den Almabtrieb zur Zufallhütte, da sind ja all die Tatzelwürmer wieder. Aber der kleine Kulturschock ist auch schnell überwunden und bald sind wir wieder am Gasthof Enzian.


Tiefblick zum Rifugio Quinto Alpini


Fragmente – wer macht die weg?


Und zurück nach Norden in den Schnee

Fazit:
Ein schönes Gebiet, jedoch in bestimmten Ecken mit Tendenz zur Überfüllung. Bei untypischem Verhalten wird man aber mit Ruhe belohnt, wir hatten zwei Tage wo wir nur Gesellschaft von zwei Dohlen hatten. Auch die Touren zur Venezia- und Plattenspitze waren prima und auch sonst kann man ja gegen Gesellschaft nichts haben. Toll war auch das Wetter, wir hatten -bis auf den letzten Tag- immer blauen Himmel was bei dem unbeständigen Wetter in den Wochen vorher kaum glaubhaft war.

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