Ostertouren in der Bernina – 29.03 - 04.04.2008

Teilnehmer/innen: Uta und Erik (Bericht)

Die Wochen vor Ostern sind in dieser Saison geprägt von länger andauernden, wechselhaften Wetterlagen. Insofern sind die möglichen Tourengebiete recht weit gestreut – von der Dauphiné bis zum Ortler gehen die Überlegungen. Und auch aufgrund des Wetters verschieben wir den Aufbruch noch um eine Woche und entscheiden uns dann doch mehr oder weniger spontan für eine Bernina-Umrundung.

Samstag, 29.03. - Anfahrt und auf den Chapütschin.

Freitag früh morgens geht es dann los in Richtung Sankt Moritz bzw. Surlej. Nach längerer Fahrt sind wir dann gegen 11 Uhr an der Talstation Corvatsch-Surley. Auffahrt bis zum Bergstation Corvatsch. Den Piz Corvatsch lassen wir rechts liegen und traversieren über steile Osthänge in Richtung Capanna Coaz. Abfahrt bis kurz vor der Hütte und Aufstieg südlich der Rippe die sich vom Punkt 3172 herunterzieht (Aufstiegsspur). Danach Wechsel zum westseitigen Gipfelhang und auf den Gipfel. Das Wetter ist bestens und die Hoffnung auf beständiges Wetter groß.

Die Abfahrt durch die nordostseitige Rinne ist zwar verlockend aber zu gefährlich. Dafür lassen wir die etwas unsinnige Aufstiegsvariante links liegen und fahren über schöne unverspurte Hänge mittlerer Steilheit zur Hütte ab. Oben Traumpulver und unten dann Bruchharsch.


Bergstation Corvatsch


Piz Scerscen und Piz Roseg


Spuren unterm Chapütschin

Auf der Coazhütte sind wir dann nur in kleiner Gesellschaft angesichts des Samstages. Abends fängt es dann heftig an zu blasen. Den für die morgige Tour angepeilten Piz Glüschaint lassen wir dann fallen da uns der Wirt wegen Spaltengefahr abrät.

Auch der Rest unserer Tourenplanung gerät heftig ins Wanken da die Marinellihütte wegen angeblicher Wasserprobleme geschlossen ist – wir vermuten jedoch eher dass sich im Moment zu wenige Tourengeher unterwegs sind damit sichs „lohnt“. Der Winterraum der Marinellihütte ist leider nicht mit Kochgelegenheit ausgestattet so dass wir uns über den im Auto zurückgelassenen Kocher ärgern. Aber so ists halt bei spontanerer Tourenplanung. Wir stellen unsere Umrundung nun etwas um – wir werden nun im Uhrzeigersinn statt dagegen gehen.

Für den morgigen Tag wollen wir noch eine kleine Eingehtour machen und einen Blick zur Craz Agüzza hinüberwerfen. Den Montag als angesagten Schlechtwettertag wollen wir dann zum Wechsel zur Tschiervahütte nutzen und am Folgetag auf den Piz Morteratsch gehen und zur Bovalhütte abfahren.

Sonntag, 30.03. - Piz Sella und Dschimels I Gemelli.

Der Wind hat über Nacht noch an Stärke zugenommen – überall Schneefahnen. Zwischenzeitlich wurde doch einiges von dem lockeren Neuschnee der vor einer Woche gefallen ist verfrachtet. Von der Coazhütte queren wir unterhalb der Rippe die von La Sella herunterkommt auf den Vadret de la Sella. Von hier aus haben wir einen guten Einblick in die Aufstiegsroute über die Westflanke auf den Piz Roseg. Immer weiter bis zur Fuorcla da la Sella und auf den Piz Sella.

Es ist eine Aufstiegsspur zur Crast Agüzza zu sehen aber wir haben ja unsere Pläne geändert und werden dieses Mal hier nicht weiter gehen. Vom Piz Sella auf die Dschimels I Gemelli ist es nur ein Katzensprung. La Sella lassen wir liegen und fahren ab. In der Abfahrt tritt Erik ein Schneebrett los was aber mangels Steilheit liegen bleibt. Kurz vor der Hütte wenden wir uns noch in Richtung la Muongia und steigen noch einmal 300 Höhenmeter auf was sich für die schöne Abfahrt mehr als lohnt. Der Hubschrauber der Sella- und Roseg-Gletscher absucht macht uns ein wenig Sorgen.


Piz Roseg_Ostflanke (Skiaufstieg durch das Schneefeld links)


Optimale Verhältnisse mit Blick auf La Sella


Spuren unter La Muongia

Kurz nach 15 Uhr sind wir dann an der Hütte wo zwischenzeitlich Aufregung herrscht. Eine Dreier-Seilschaft ist am Glüschaint in eine Spalte gefallen und haben per Handy die Rettung verständigt. Der Hüttenwirt war sich nicht sicher wegen uns und hat uns auch zur Suche ausgeschrieben – interessanterweise sah uns die Heli-Mannschaft bei seiner Suche wohl nicht. Während der Heli im Anmarsch war hatte die Gruppe am Glüschaint den Gestürzten jedoch scheints ohne größere Blessuren befreit – es fehlt nur ein Ski. Da der Heli wohl zwischenzeitlich einen dringenden anderen Einsatz hat bewegen sich die drei langsam über den Gletscher nach unten. Wir diskutieren die Möglichkeit Ersatzski zu Fuss nach oben zu transportieren, das wird aber durch den wiederkehrenden Heli dann unnötig.

Montag, 31.03. - Piz Aguagliouls und zur Tschiervahütte.

Der Wind wehte bis in die Nacht hinein. Morgens ist das Wetter besser als vorausgesagt aber aufgrund der heiklen Lawinenlage sind wir ganz zufrieden mit der geplanten kleinen Tour. Über überfrorenen Firn mit herrlichem Bruchharsch geht’s holperig zum Vadret-See hinunter. Manchmal trägt der Schnee, manchmal gilt „mit Schwung durchbrechen“. Am Ende des Sees geht es dann Südöstlich eine kleine Rinne an der Moräne entlang. Von da aus über tiefen Schnee den Nordosthang empor der uns bei größerer Steilheit wohl zur Umkehr gezwungen hätte – es rumst und zischt ein paar mal, die Ergebnisse der Blaserei den Tag zuvor.

Wir erklären den Skigipfel am Beginn des gerölligen Grates zum Ziel und geniessen lieber die Abfahrt bis zur Moräne hinunter. Wiederaufstieg bis ca. 2800 m und dann queren wir in Richtung Hütte auf den Vadret da Tschierva. Der Schlussanstieg zur Hütte geht über steile schneegefüllte Rinnen in der Moräne.


Bruchharsch – wie im Skitourenhandbuch empfohlen ist beherzt einbrechen das Mittel der Wahl


Blick zurück zum Vad da Roseg – Richtung Coazhütte


Tschiervahütte

Der Winterraum in der Hütte ist prima und zu empfehlen. Einziges Manko ist der Klogeruch im Vorraum – innenliegende Trocken-Klos sind einfach nicht der Bringer. Da ist so mancher Donnerbalken zu bevorzugen. Aber mit heftigem Lüften ists einigermaßen wegzubringen. Zu essen gibt es mitgebrachte Nudeln mit Butter aus dem Fundus der Coaz-Hütte. Im Hüttenbuch sind ein paar interessante Einträge zu finden – so sind am gleichen Tag gerade zwei Leute mit Schneeschuhen abgestiegen die ein paar Tage auf der Hütte waren und auf gutes Wetter für den Biancograt gehofft haben.

Dienstag, 01.04. - Piz Morteratsch und zur Bovalhütte.

Trotz guter Wettervorhersage beginnt der Tag ziemlich zugezogen was wir mit einem verzögerten Aufbruch beantworten. Aber irgendwann ist immer Schluss mit dem faul rumliegen und es reisst ja auch wirklich auf. Von der Hütte aus geht es zuerst ein Stück nach Südosten bevor wir über steile verharschte Schneerinnen in Richtung Vadretta di Tschierva aufsteigen können. Während des Aufstieges hat man einen guten Blick auf Eselsgrat am Piz Roseg und die Eisnase am Piz Scerscen.


Roseg Westflanke


Links Bernina mit Biancograt, rechts Scerscen mit Eisnase


Panorama von der Tschiervahüte aus – vom Biancograt bis zum Roseg

Vom Gletscher geht es über einen kurzen Steilaufschwung bis auf den ersten Absatz des Nordgrates. Hier entscheiden wir uns zu Fuss weiterzuhen und steigen z.T. über Blankeis, später in gutem Trittfirn auf den eigentlichen Nordgrat hinauf. Hier noch ein paar hundert Meter weiter und wir stehen auf dem Gipfel.


Auf dem Morteratsch


Ganzer Biancograt mit Fuorcla Prievlusa


Panorama vom

Piz Palü bis zum Piz Roseg

Aussichtstechnisch ist der Piz Morteratsch erste Klasse – die berühmten Bilder vom Biancograt werden wohl alle von hier aus gemacht.


Roseg Westflanke


Links Bernina mit Biancograt, rechts Scerscen mit Eisnase


Blick zum Palü

Wir steigen zügig ab und fahren nach kurzem Zwischenaufstieg zur Fuorcla Tschierva in Richtung Fuorcla Misaun ab. Wir entscheiden uns für den Aufstieg in die Fuorcla – sicherlich aufgrund der Spuren, aber auch weil uns die Alternative des Aufstiegs über die Crasta da Boval in dem weichen Nachmittagsschnee nicht geheuer ist. Auf der anderen Seite der Fuorcla ist es dann aber nicht so schön. Tiefer Schnee und an die 35 Grad steile Hänge machen uns etwas Sorgen die durch die vorhandenen Spuren einer Vierergruppe nicht weniger werden. Erik verliert auch noch seinen Ski und muss ihn mit einer kleinen Abseilaktion bergen – doofe Silvrettabindung. Aber wir sind dann auch über die kribbeligen Stellen hinüber und geniessen die schöne Abfahrt die durch Eriks Bindungsprobleme etwas erschwert wird. Es schliesst sich eine Traversierung durch kupiertes Gelände an bis wir die Bovalhütte erreichen.

Ausser uns sind noch eine große, lustige Gruppe eines Toggenburger Skivereins da die auch am nächsten Tag Richtung Bernina gehen wollen. Nach Auskunft des Hüttenwirts war dieses Jahr noch keiner oben – die Spuren im Buuch die wir in der Abfahrt gesehen haben deuten aber auf den einen oder anderen Versuch hin. Das Wetter ist noch wolkenlos, aber für den nächsten Tag nicht so gut angesagt. Die Stimmung in der Hütte ist gut – der Hüttenwirt und besonders sein Team aus zwei netten Jungs sind nett.

Mittwoch, 02.04. - Versuch Piz Bernina.

Früh morgens geht es los – anfangs noch bei wolkenlosem Himmel. An der rechten Seite des Gletschers staut sich die große Schweizer Gruppe etwas – besser wäre es am Anfang eher in der Mitte zu bleiben. Das Wetter zieht jetzt ziemlich schnell zu. Über mäßig spaltiges Gelände geht es dann immer weiter aufwärts am rechten Gletscherrand. Wir entscheiden uns weiter in Richtung la Foura zu gehen um weiter oben unter den Felsen am Buuch zu queren. Das Wetter jedoch wird immer schlechter und so entscheiden sich alle für den Rückzug. Die Sicht ist noch so weit gut dass die Abfahrt noch schön ist. Den Rest des Tages verbringen wir auf der Hütte – es kommt auch noch eine genervte englische Gruppe auf der Suche nach dem guten Wetter vorbei. Den ganzen Abend schneit es dann – zwar nicht kräftig aber immer ein wenig.

Wir selbst überlegen uns auf der Suche nach dem Wetter mitzumachen und ins Tessin zu wechseln. Nachteilig wäre die dort höhere Lawinengefahr und der ganze Stress.

Donnerstag, 03.04. - Ausflug zur Fortezza .

Das Wetter ist nicht so dass große Sprünge zu machen sind – die Wolken hängen tief so dass wir heftig entschlossen sind abzubrechen. Wir packen unsere Sachen und fahren gerade los da reisst es gut auf so daß wir noch einmal neu überlegen. Wir wollen nun doch lieber dableiben und eine kleine Sache machen als ins Ungewisse loszueiern. Also deponieren wir unseren Krempel unter einem Stein und rufen kurz an der Hütte an dass wir nachmittags wiederkommen.

Wir queren den Gletscher und suchen uns einen Weg auf die Isla Persa. Von da aus über den kleinen Gletscher und bis unterhalb der Fortezza, da wo die Felsen beginnen. Das Wetter ist so weit gut dass wir einen Blick in die Westflanken des Piz Palü werfen können und prompt geht auch eine mächtige Eislawine ab. Wir treffen zwei Schweizer Jungs die über die Fortezza kraxeln wollen, entscheiden uns aber für die Abfahrt was auch das Richtige war da das Wetter auch gleich nach der Abfahrt zumachte und die gute Sicht weg war.

Der Abend vergeht auch heute wieder mit Warten auf den Wetterbericht und ein wenig Tourenplanung. Es soll schön werden aber auch kalt und windig – brrr. Die Schweizer haben jetzt in Anbetracht des Neuschnees auf den Palü umgeschwenkt und wir schliessen uns dem an, auch da auf die Bernina sonst niemand gehen würde.

Freitag, 04.04.2008 - Piz Palü

Morgens sind wir die letzten die die Hütte in Richtung Palü verlassen. Wir deponieren unseren Krempel unterhalb der Isla Persa und steigen über eine markierte Skipiste auf dem Gletscher auf. Bis auf 3000 m geht es ganz gemächlich auf ebenen Gletscherflächen weiter. Zwischendrin kommen einige Seilschaften von der Diavolezza herüber – es gab wohl dort einen heftigen Schlechtwetter-Stau der sich heute auf den Palü entlädt.


Gipfelfoto Palü


Blick hinunter zur Fuorcla Pers Palü


Blick zurück zum Palü

Auf dem rechten Arm des Gletschers geht es über ein paar Spaltenzonen hinauf, jedoch ist alles mehr oder weniger gut eingeschneit. Vom Bergschrund ist nicht viel zu sehen und so sind wir bald mit frierenden Fingern am Skidepot. Steigeisen an und Windschutz drüber – es ist wirklich ziemlich kalt. Über guten Trittfirn geht es noch mal ca. 100hm hinauf bis zum Gipfel wo wir unsere Toggenburger wiederfinden. Die Rotweinflasche geht zum Glück an uns vorbei so dass die Sache noch einmal glimpflich ausgeht.

Die Abfahrt ist auch dieses Mal sehr schön, wie alle Abfahrten in dieser Tourenwoche. Unten treffen wir noch einmal die wackeren Toggenburger beim Sonnenbaden, reissen uns aber irgendwann auch los und fahren ab bis zur Bahnstation Morteratsch. Dort treffen wir einen der Jungs vom Hüttenteam mit dem wir Richtung Bus gehen. Mit Glück erwischen wir eine Mitfahrgelegenheit bei einem netten Zahnmedizinierpärchen aus Deutschland die uns zum Auto zurückbringen. Nach Hause geht es dann zügig.

Fazit: Die Bernina ist ein prima Skitourengebiet mit Superabfahrten und alpinistisch interessanten Bergen. Unsere Woche war geprägt von nicht ganz optimalen Verhältnissen wobei wir sicherlich noch das beste Stück Wetter rund um das diesjährige Ostern erwischt haben. Die Abfahrten waren jedoch immer super. Die Heimfahrt am Freitag war dann im Nachhinein auch gut – die Webcam auf der Diavolezza brachte am Samstag morgen nur grau in grau rüber. Aber die Bernina-Rundtour möchte sicherlich vollendet werden.

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